Luzie - Retter in der Not

Montagabend, 10 vor 8, Tiefgarage Kaisers Supermarkt.

Ein älterer Herr winkt mir bei der Einfahrt in die Tiefgarage. Ich wundere mich etwas darüber, denke im ersten Moment, dass er mich eventuell verwechselt hat und steuere mein Auto so nah wie möglich an den Übergang zum Supermarkt heran auf einen der vielen freien Parkplätze.
Der ältere Herr kommt nun winkend durch die Tiefgarage auf mich zugelaufen. Er hat wohl doch mich gemeint.
Für den Bruchteil einer Sekunde denke ich an die windigen Typen, die sich auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof Zoo als Parkplatzeinwinker betätigen und traurig das eventuelle Ableben des Mercedessterns oder des tadellosen Autolacks beklagen, wenn man ihnen für ihren ungewollten Einwinkdienst in eine Parklücke, die man von ganz allein gefunden hat, keinen Obulus zuteil werden lässt.
Diesen Gedanken verwerfe ich aber ganz schnell und verachte mich auch dafür, denn der Herr, der jetzt vor mir steht, sieht sehr sympathisch aus und außerdem gibt es ja hier Parkplätze wie Löcher in einer Luftschokolade.
In gebrochenem Deutsch spricht er mich an. Er ist Russe. Seine Autobatterie sei leer, sagt er, weil wohl das Licht über Nacht brannte.Er scheint hier unten in der dunklen Garage schon seit einer ganzen Weile auf der Suche nach Starthilfe zu sein, denn er ist extremst verzweifelt.
Weil ich beim Starthilfe geben schon so einige Desaster erlebt habe in meinem Leben, bin ich eigentlich nicht so angetan von seiner Bitte. Da er aber ein eigenes Kabel hat und ich wenigstens nicht meins rauswühlen muss, das im Kofferraum unter extremst viel Kram und mehrere Male um den Ersatzreifen gewickelt gut verpackt und schier gar unerreichbar liegt, sage ich zu, ihm zu helfen. Außerdem bin ich nicht sicher, wann hier das nächste Kraftfahrzeug vorbeikommen würde, jetzt wo der Supermarkt gleich dicht macht und diese Tiefgarage sowieso kaum genutzt wird, weil keiner weiß, dass man da kostenlos parken kann, obwohl draußen Parkautomaten stehen.
Mit einem Blick auf die Uhr, die inzwischen 7 Minuten vor 8 anzeigt, deute ich ihm an, dass ich nur noch schnell in den Supermarkt flitze und ihm dann gern helfen werde.
Er ist zwar etwas ungeduldig, sicher aufgrund der langen Wartezeit bisher, aber ist dann wohl der Meinung, dass die 7 Minuten nun auch keinen Unterschied mehr machen.

Zeitsprung. 7 Minuten später. Einkauf erfolgreich erledigt.

Ich betrete die Tiefgarage, kann aber den Liegengebliebenen nirgends sehen.
Ich gehe zu meinem Auto, öffne die Tür und verstaue meinen Einkauf auf dem Rücksitz, als er freudestrahlend auf mich zugelaufen kommt. Er deutet mir an, dass sein Auto noch eine Etage tiefer in dem Garagenabschnitt steht, der nur für Mieter reserviert ist und ich fahre ihm im Schrittempo hinterher in einen noch einsameren Garagenabschnitt.
Hier wartet schon seine Frau neben einem 240er Mercedes, Typ 123, den ich auch früher mal gefahren habe. Hätte er dieses Detail gleich erwähnt, hätte ich wohl keine Sekunde gezögert, ihm zu helfen.
Nach kurzem Manövrieren meines Golfs im geeigneten Winkel vor seinen Mercedes, so dass die Starterkabel von der Länge her reichen (die Golf-Batterie ist vorn links, die beim Benz weiter oben rechts) wird schnell klar, wer von den beiden in dieser Beziehung die Hosen anhat. Seine Frau gibt ganz klare Anweisungen, was denn nun zu tun sei: "Hier ist Plus und da ist Minus. Das rote Kabel muss da, das schwarze da. Was machst Du denn?!"
Dann sind die Kabel endlich vertäut und ich lasse meinen Motor an. Es dauert keine Sekunde und schon ist das vertraute Dieselgeräusch des "Treckers" zu hören. Musik in meinen Ohren.
Beide sind überglücklich und erleichtert, dass sie nun endlich mit ihrem fahrbaren Untersatz die dunkle Tiefgarage verlassen können. Er bedankt und verabschiedet sich per Bussi-rechts-Bussi-links-Kombination und sie drückt meine Hand ganz fest mit ihren beiden.

Mit einem Lächeln fahre ich die steile Auffahrt in die berliner Nacht hinaus. Als ich kurz nach der Ausfahrt an der Ampel halte, steht da die nächste verlorene Seele. Mit einem Benzinkanister in der Hand klopft er an meine Scheibe. "Hast Du zufällig einen Einfüllstutzen zum Benzineinfüllen dabei?"
Damit kann ich nun leider wirklich nicht dienen, aber ich gebe ihm den Tip, es mal mit einer Plastikflasche zu probieren, von der er einfach den Boden abschneidet und dann die Öffnung mit dem Drehverschluss in den Tankstutzen steckt.
"Hey! Coole Idee!"

Es ist schön, Menschen glücklich zu machen.
Und manchmal so einfach.


---
elektra - 16. Mär, 14:13

pfadfinderseele

jeden tag mind. eine gute tat !
lob lob ...
luzie - 16. Mär, 14:25

danke! :)

*verbeug*
naja. war ja nix großes. und die welt hab ich ja auch nicht gerettetet!
aber glücklich gemacht hat es! :) auch mich!
elektra - 16. Mär, 14:37

gute seele ...

andern ne kleine freude bereiten; dann macht das leben gleich doppelt soviel spaß ... finde ich ...
luzie - 16. Mär, 14:47

:)
stimmt!
Synopso - 16. Mär, 19:18

7 minuten?

wow.
luzie - 17. Mär, 15:43

klar! ist machbar, wenn man nicht viel braucht, weiß was man will und die person an der kasse nicht wegschnarcht.
;)

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