Absagen beim Kartenvorverkauf
Neulich in der Berlinale-Kinokarten-Vorverkaufsschlange:
Seit einer guten halben Stunde stehe ich in besagter Schlange hinter einem jungen dunkelhaarigen Mann, der sich einige der angekündigten Filme aus dem Berlinale-Programmheft nervös auf einem Zettel notiert und dann doch wieder streicht, andere dazuschreibt und versucht, einen perfekten Zeitplan auszutüfteln, der alle seine Filmwünsche unter einen Hut bringt. Irgendwie erinnerte mich dieses Austüfteln an meine Schulzeit und den Versuch, eine Gleichung mit 4 Unbekannten zu lösen.
Dann öffneten endlich die Kassen, die vier Damen hinter dem Counter begannen mit dem Kartenverkauf und die Schlange setzte sich, wenn auch extrem langsam, endlich in Bewegung.
Diese Kassenöffnung war zwar lang ersehnt, brachte aber auch Trauer mit sich, denn obwohl man schon eine gute halbe Stunde vor Kassenöffnung zur Vorverkaufsstelle gekommen war, hatte es doch eine große Menge an Menschen gegeben, die es noch früher geschafft hatten und natürlich teilweise ebenfalls den Film sehen wollten, den man gerade durch viel Mühe in ein Zeitfenster geschoben hatte, das noch frei war. Und je mehr Karten verkauft wurden, desto mehr Filme waren auch schnell ausverkauft. Wenn dies der Fall war, bekam eine Dame, die hinter den vier Verkäuferinnen am Kartenschalter stand, ein Zeichen und einen Zettel in die Hand gedrückt. Dann ging sie mit diesem Zettel und einem dicken schwarzen Edding zu der Tafel mit den Filmankündigungen und strich erbarmungslos und ohne Rücksicht auf die Zeitpläne der in der Schlange wartenden und nach Filmen hungernden Cineasten alles, was so begehrt war, dass es nun nicht mehr zu haben sein sollte. Zuerst betraf dies natürlich die Filme, die im Wettbewerb laufen.
"Die Premiere von Elementarteilchen ist schon ausverkauft! Dafür hatten sie hier nur 10 Karten!" hörte ich einen älteren Mann erzählen, der einige Meter vor mir in der Schlange stand.
Nun, da die Dame mit dem dicken schwarzen Stift ihre Arbeit vollbracht hatte und 3 Filme aus der Liste gestrichen hatte, fing der junge Mann vor mir wieder an zu rotieren. Er raufte sich die Haare und schimpfte leise vor sich hin "Aber wenn ich den jetzt am Mittwoch schaue, kann ich den nicht sehen und das wär ja auch totaler Mist. Ach man so eine Scheiße!"
Dann kam die Dame mit dem Edding schon wieder!! Früher, als erwartet. Sie hatte den Wartenden in der Schlange kaum Zeit gelassen, den Schock von gerade eben zu verarbeiten, da kam schon der nächste. Und dieser traf den Herrn vor mir wie ein Schlag. Er sank in sich zusammen und zum Schimpfen fehlte ihm jetzt jegliche Kraft. Es war mehr eine Art großer Trauer, die sich nun in seinem Gesicht breit machte.
Er griff zu seinem Telefon: "Hallo Ellen, ja also ich steh hier in der Schlange und, naja, also Mittwoch ist leider ausverkauft."
Trauer und Enttäuschung in seiner Stimme waren deutlich zu hören.
"Es gibt ihn noch Donnerstag in der Spätvorstellung. Ist Dir zu spät. Ja. Das dachte ich mir. Ja. Schade. Und einen anderen Film? Ach so ja natürlich. Ja. Tut mir auch leid. Hätte Dich wirklich gerne getroffen. Ja, also dann machs gut!"
Er sah aus, als wäre eine Welt zusammengebrochen für ihn. Und es tat mir so leid, dass "Ellen" nicht in die Spätvorstellung oder einen anderen Film mit ihm wollte.
Als das Stift-Mädchen wieder kam, nahm er sie kaum noch wahr. Jetzt, da er nicht mit Ellen ins Kino konnte, schien alles egal.
Am nächsten Tag habe ich ihn wieder gesehen in der Schlange. Diesmal stand er etwas weiter hinten als ich.
Und er sah immernoch traurig aus.
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Seit einer guten halben Stunde stehe ich in besagter Schlange hinter einem jungen dunkelhaarigen Mann, der sich einige der angekündigten Filme aus dem Berlinale-Programmheft nervös auf einem Zettel notiert und dann doch wieder streicht, andere dazuschreibt und versucht, einen perfekten Zeitplan auszutüfteln, der alle seine Filmwünsche unter einen Hut bringt. Irgendwie erinnerte mich dieses Austüfteln an meine Schulzeit und den Versuch, eine Gleichung mit 4 Unbekannten zu lösen.
Dann öffneten endlich die Kassen, die vier Damen hinter dem Counter begannen mit dem Kartenverkauf und die Schlange setzte sich, wenn auch extrem langsam, endlich in Bewegung.
Diese Kassenöffnung war zwar lang ersehnt, brachte aber auch Trauer mit sich, denn obwohl man schon eine gute halbe Stunde vor Kassenöffnung zur Vorverkaufsstelle gekommen war, hatte es doch eine große Menge an Menschen gegeben, die es noch früher geschafft hatten und natürlich teilweise ebenfalls den Film sehen wollten, den man gerade durch viel Mühe in ein Zeitfenster geschoben hatte, das noch frei war. Und je mehr Karten verkauft wurden, desto mehr Filme waren auch schnell ausverkauft. Wenn dies der Fall war, bekam eine Dame, die hinter den vier Verkäuferinnen am Kartenschalter stand, ein Zeichen und einen Zettel in die Hand gedrückt. Dann ging sie mit diesem Zettel und einem dicken schwarzen Edding zu der Tafel mit den Filmankündigungen und strich erbarmungslos und ohne Rücksicht auf die Zeitpläne der in der Schlange wartenden und nach Filmen hungernden Cineasten alles, was so begehrt war, dass es nun nicht mehr zu haben sein sollte. Zuerst betraf dies natürlich die Filme, die im Wettbewerb laufen.
"Die Premiere von Elementarteilchen ist schon ausverkauft! Dafür hatten sie hier nur 10 Karten!" hörte ich einen älteren Mann erzählen, der einige Meter vor mir in der Schlange stand.
Nun, da die Dame mit dem dicken schwarzen Stift ihre Arbeit vollbracht hatte und 3 Filme aus der Liste gestrichen hatte, fing der junge Mann vor mir wieder an zu rotieren. Er raufte sich die Haare und schimpfte leise vor sich hin "Aber wenn ich den jetzt am Mittwoch schaue, kann ich den nicht sehen und das wär ja auch totaler Mist. Ach man so eine Scheiße!"
Dann kam die Dame mit dem Edding schon wieder!! Früher, als erwartet. Sie hatte den Wartenden in der Schlange kaum Zeit gelassen, den Schock von gerade eben zu verarbeiten, da kam schon der nächste. Und dieser traf den Herrn vor mir wie ein Schlag. Er sank in sich zusammen und zum Schimpfen fehlte ihm jetzt jegliche Kraft. Es war mehr eine Art großer Trauer, die sich nun in seinem Gesicht breit machte.
Er griff zu seinem Telefon: "Hallo Ellen, ja also ich steh hier in der Schlange und, naja, also Mittwoch ist leider ausverkauft."
Trauer und Enttäuschung in seiner Stimme waren deutlich zu hören.
"Es gibt ihn noch Donnerstag in der Spätvorstellung. Ist Dir zu spät. Ja. Das dachte ich mir. Ja. Schade. Und einen anderen Film? Ach so ja natürlich. Ja. Tut mir auch leid. Hätte Dich wirklich gerne getroffen. Ja, also dann machs gut!"
Er sah aus, als wäre eine Welt zusammengebrochen für ihn. Und es tat mir so leid, dass "Ellen" nicht in die Spätvorstellung oder einen anderen Film mit ihm wollte.
Als das Stift-Mädchen wieder kam, nahm er sie kaum noch wahr. Jetzt, da er nicht mit Ellen ins Kino konnte, schien alles egal.
Am nächsten Tag habe ich ihn wieder gesehen in der Schlange. Diesmal stand er etwas weiter hinten als ich.
Und er sah immernoch traurig aus.
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luzie - Mittwoch, 15. Februar 2006, 16:40